Zirkusartistik ist hohe Kunst. Die hohe Kunst des Projektzirkus’ Sperlich besteht darin, sie binnen weniger Tage fast 300 Jungen und Mädchen am Lehniner Schulcampus kindgerecht nahe zu bringen. Für die Erst- bis Sechstklässler ist es reiner Spaß.
Riesen-Zirkus-Projekt am Lehniner Schulcampus
Der „1. Ostdeutsche Projektcircus André Sperlich“ gastiert auch am Wochenende noch in Lehnin. Weitere öffentliche Vorstellungen, die sehr sehenswert sind, sind am Freitag, 19. Mai, um 17 Uhr und am Samstag, 20. Mai, um 10 Uhr und 14 Uhr. Gestaltet werden die Aufführungen von zwei Gruppen.
Das Projekt an der Lehniner Schule kostet 6000 Euro. Die Summe finanziert sich über Eintrittsgelder, Elternbeiträge von 24 Euro je Kind und 6 Euro für jedes Geschwisterkind. Darin sind je zwei Eintrittskarten enthalten.
Auch der Schulförderverein bezuschusst das Zirkusprojekt. Zudem gibt es öffentliche Fördergelder.
Lehnin. Selig gehen die beiden Mädchen im Pulk ihrer Mitschüler aus dem großen Zelt. „Morgen haben wir eine richtige Generalprobe“, schwärmt das eine Mädchen und hüpft glücklich Richtung Schulgebäude. Seit dieser Woche steht auf der Wiese hinter der Turnhalle der Lehniner Grund- und Gesamtschule Heinrich-Julius Bruns ein wirkliches, wahrhaftiges Zirkuszelt. Rot leuchtet es schon von weitem.
Seit Montag dürfen 290 Jungen und Mädchen der ersten bis sechsten Klassen den Unterricht für ein Zirkusprojekt sausen lassen. Mit Einverständnis und unter Beifall der Lehrer. André Sperlich vom gleichnamigen Projektzirkus und seine elf Mitarbeiter trainieren mit den Schülern Zirkusakrobatik und Clownerie. Am Donnerstagvormittag kommen die Kinder zur Generalprobe zusammen, am Nachmittag zeigen die Schüler ihre Künste erstmals ihren Eltern, Geschwistern und Großeltern in einer zweistündigen öffentlichen Vorstellung.
Mit dabei sind auch William, Jan und Charlotte aus den Klassen vier bis sechs mit ihrer urkomischen, poetischen Bienen- und Honignummer. Als zwei fleißige Arbeitsbienen legen sie ihren etwas fauleren Kollegen herein. Immer dabei ist André Sperlich, korrigiert hier, unterbricht dort, aber immer im geduldigen, freundlich-humorvollen Ton. So bekommt ein Neunjähriger den Rat, beim Sprechen seines Textes, den er erst einen Tag zuvor gelernt hatte, doch besser das Mirko vor den Mund und nicht auf Hüfthöhe zu halten.
Eigentlich hatte Charlotte in der Akrobatik-Gruppe mitmachen wollen. Doch ein Armbruch vor dem Projekt ließ sie zu den Clowns wechseln. „Für jedes Kind findet sich hier etwas, die meisten Erst- und Zweiwünsche können wir erfüllen“, sagt Primarstufenleiterin Dörte Fandrey.
Ganz offensichtlich ist das so: „Es macht so viel Spaß“, bestätigt Leonie aus Grebs, die mit weiteren Schulkindern am Rande der Manege sitzt und die Show verfolgt. Die Elfjährige ist für den Seiltanz-Aufführung eingeteilt. Die zehnjährige Nele aus Netzen möchte am Trapez glänzen und die neunährige Laura, die ebenfalls in Grebs lebt, zeigt eine Taubenrevue.
Nach jeder Probe erschallt Beifall und Jubel. Die Kinder nehmen Anteil an den Vorstellungen der anderen. Von den Zuschauerrängen aus verfolgt auch ein 25-jähriger Referendar das Zirkustreiben. Er sehe begeistert, „dass jene Kinder, die im Unterricht ganz still sind, hier richtig aufblühen. Da sieht man, welches Potential in jedem steckt. Man lernt hier die Kinder von einer ganz anderen Seite kennen.“
Schulleiter Dirk Lenius ist an diesem Vormittag ebenfalls im Zelt. Er hat den Sperlich-Projektzirkus bereits zum vierten Mal dafür gewinnen können, auf dem Lehniner Schulcampus zu gastieren. „Wenn man das Chaos am Anfang sieht und nur fünf Tage später die Vorstellungen, sieht man den Zuwachs an Selbstbewusstsein bei den Kindern“, sagt Lenius. „Als ich das das erste Mal gesehen habe, bekam ich ein Gänsehautgefühl und Tränen in die Augen.“
Auch die Lichtshow während der Aufführung verfehlt nicht ihre Wirkung. Sie sind die Stars in der Manege, die fast 300 Kinder der Lehniner Grundschule. Selbstverständlich trainieren die älteren Schüler mit den jüngeren. „Das Miteinander wird hier gestärkt und das Selbstbewusstsein“, erläutert André Sperlich das Prinzip. „Jeder bekommt Zuspruch“, sagt Frauke Fandrey.
Dass Lehrer und sogar Eltern dabei an einem Strang, oder besser gesagt, gemeinsam an vielen Seilen ziehen, beweist der Umstand, dass sie das Zelt aufbauen. In zweistündiger, teils schweißtreibender Arbeit.
Das professionelle Zirkusteam bleibt entspannt trotz der hunderten Schüler, denen sie kindgerechte Akrobatik und Komik beibringen müssen. „Nächste Woche habe ich 580 Schüler in Berlin zu betreuen“, sagt André Sperlich.
Er stammt aus einer Zirkusfamilie. Vier Generationen vor ihm waren die Sperlichs schon Artisten. Zwei seiner Brüder und sein Vater touren mit weiteren Projektzirkussen durch Deutschland von Schulhof zu Schulhof. „Ich bin superzufrieden mit den Kindern“, sagt der Zirkusdirektor. „Es soll ihnen Spaß machen.“ Der heute 42-jährige tritt seit seinem zehnten Lebensjahr im Zirkus auf. Er begann als Ziegendompteur; sein Vater hatte die Dressur entwickelt. Erzählt’s und wendet sich schnell wieder den Kindern in der Manege zu. In weniger als 48 Stunden stehen die jungen Zirkuskünstler schließlich im Rampenlicht.